Souverän ignoriert
„Like ice in the sunshine, I’m melting away“, heißt es in dem Langnese-Kinospot für die Eistüte „Cornetto“, „wie Eis unter der Sonne schmelze ich dahin“ – „on this sunny day!“ In seiner dreißigjährigen Geschichte ist dieser Fetzen schon von vielen Stars und Sternchen nachgedudelt worden, nur die fünfzig Sängerinnen und Sänger von „Chornetto spezial“ aus Dransfeld haben ihn souverän ignoriert. Obwohl er doch so naheläge!
Statt dessen haben die „Chornettis“ – seit nunmehr über zehn Jahren angeleitet, inspiriert und dirigiert von Thorsten Seydler aus Trendelburg – die Rock-, Pop- und Jazzhistorie geplündert und daraus ein profundes Programm gut singbarer Stücke komponiert. Die meisten davon tragen englischsprachige Titel und stammen ursprünglich von Künstlern wie Pharel Williams, Annette Bjergfeldt, Freddie Mercury, Earth Wind & Fire und Hozier – um nur wenige zu nennen.Mancher Titel kommt gar achtstimmig daher – so zum Beispiel „Viva la vida“ von Coldplay, ein Titel, der manchem Konzertbesucher regelmäßig den Gefühlshaushalt aufmischt. Dies zu bewirken braucht es weder Notenkenntnis noch Musiktheorie, denn dank disziplinierter Probenarbeit singt man nicht vom Blatt, sondern aus dem Kopf – und von Herzen sowieso. Der Chorleiter arbeitet nach einem Konzept, welches weitgehend auf Noten verzichtet und stattdessen auf kleine Audiodateien setzt. Das senkt die Hürden für Neueinsteiger – fast alle haben wir so begonnen. Und die wenigsten hätten je gedacht, dass die eigenen musikalischen Ressourcen den ästhetischen Ansprüchen eines Chors genügen könnten – und überraschten am meisten sich selbst.„Chornetto spezial“ bündelt einen lebendigen Querschnitt von Menschen aller Altersklassen und Berufsgruppen – vom Handwerker bis zur Pastorin, vom Hochschullehrer bis zur Schülerin, vom Teenie bis zum Opa. Es scheint gar ein Chornetto-Gen zu geben, welches sich dominant vererbt und so den Nachwuchs montags in den Probenraum treibt – mit den Eltern.
©Martin Elsbroek